Sonntag, 15. März 2015

Seltsamkeiten


"Schön ist wüst, und wüst ist schön.", so sagen's die Hexen beim ollen Shakespeare. Und in der Tat, manchmal scheint es, als ob die Dinge sich tatsächlich in ihr jeweiliges Gegenteil verkehren. Durchaus oft zu hören ist ja die Klage, der Jugend von heute fehle es eklatant an Allgemeinwissen. Nur scheint das inzwischen längst nicht mehr auf schluffige Youngster beschränkt zu sein. So hätte ich etwa nie gedacht, dass ich als kompletter unternehmerischer Laie und notorisch abhängig Beschäftiger mich einmal bemüßigt fühlen würde, Unternehmern etwas über elementarste marktwirtschaftliche Grundbegriffe beibringen zu müssen, weil diese offenbar immer weniger beherrscht werden.

Nehmen wir die Fernbusbranche, jenes noch junge Gewerk, das jüngst von staatlichen Fesseln befreit wurde, auf dass es der immer noch nicht marktwirtschaftlich genug aufgestellten Bahn in Puncto Fahrpreise tüchtig Feuer unterm trägen Beamtenarsch mache. Jetzt geht der Bundesverband deutscher Omnibusunternehmer der Lieblingsbeschäftigung eines jeden Wirtschaftsverbandes nach, dem öffentlichen Jammern. Man finde, so wird gebarmt, einfach keine Fahrer. Das verwundert ein wenig, vor allem, wenn man die verlockenden Perspektiven bedenkt, die der Job so bietet:

"Ein Fernbusfahrer muss Gepäck ein- und ausladen, nebenbei Tickets, Getränke und Snacks verkaufen, Fahrgäste einchecken. Er muss Geduld haben, wenn nervige Gäste meckern, Erste Hilfe leisten, wenn ein Fahrgast plötzlich krank wird. Und er muss den Bus täglich putzen - Abfälle entsorgen, verschütteten Kaffee aufwischen, Sitze saugen. Kurz: Er muss Kofferträger, Bedienung und Schaffner sein und dann noch all das erledigen, wofür im Zug und im Flugzeug die Putzkolonne anrückt. Obendrauf kommen noch lange Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung."

Tja, wirklich erstaunlich, dass einem die Bewerber da nicht die Bude einrennen. Zumal ein Busführerschein schon mal leicht mit 10.000 Euro zu Buche schlägt und vom Angestellten in spe in der Regel selbst beizubringen ist.

Nun, liebe Busunternehmer, lasst euch, wenn ihr gestattet, von einem Nicht-Unternehmer erleuchten (man nennt das, glaube ich, Kompetenz von außen): In einer Marktwirtschaft gibt es etwas, das man als Unternehmer kennen sollte und das sich 'Prinzip von Angebot und Nachfrage' nennt. Danach richten sich nämlich im wesentlichen die Preise für alles Mögliche. So auch für die Arbeit der von euch so händeringend gesuchten Busfahrer. Daher ein bescheidener Vorschlag: Wie wäre es damit, potenziellen Fahrern anständige Löhne zu bieten, von denen man auch gut leben kann, ansonsten für ordentliche Arbeitsbedingungen zu sorgen und die Leute, wenn nötig, selbst auszubilden? So als Idee? Na? Da nich' für, immer gern.

Das vollvernetzte Digitalzeitalter, in dem zu leben wir die Aufgabe haben, hat auch seine positiven Seiten: Zum Beispiel war es noch nie so einfach wie heute, einen Vollidioten zu erkennen. So dachte ich, das diesbezügliche Maximum wäre erreicht durch den Hipster beim Italiener, der sich nicht nur nicht entblödete, sein Essen lautstark zu knipsen (der hatte garantiert einen externen Bluetooth-Lautsprecher mit seinem Glotzophon gekoppelt, so laut, wie das geklickt hat), sondern sich nach getaner Peinlichkeit noch aufmerksamkeitsheischend im Laden umsah, wie um sich zu vergewissern, dass auch jeder mitbekommen hatte, was für ein armseliger Wicht er ist.

Weit gefehlt! Die nächsten Kandidaten dürften jene sein, die demnächst mit ihren mehrere hundert Euro teuren, volldigitalen Armbanduhren angeben, in die sie hineinsprechen, für deren Benutzung man ein Mobiltelefon desselben Herstellers benötigt und deren Akku nach nicht einmal einem Tag aufgeladen werden muss. Als wir jung waren und zur Schule gingen, hießen solche Typen oberflächliche, konsumgeile Lemminge mit zu viel Geld und bekamen Klassenkeile oder hatten keine Freunde, zumindest keine vernünftigen. Heute schimpfen sie sich wichtig Early Adopter und sind ein echter Wirtschaftsfaktor. Ohne sie müssten nämlich die Hersteller solch zunehmend überflüssiger Must Haves wenn schon nicht dicht machen, so aber doch weitaus kleinere Brötchen backen.

Der nächste heiße Scheiß kommt übrigens von der Firma Gillette. Dort hat man offenbar erkannt, dass Nassrasierer mit immer mehr und immer teureren Klingen in immer kürzeren Abständen auf den Markt zu bringen, ein Geschäftsmodell ist, das irgendwann einmal ein Ende der Fahnenstange erreicht. Und, was machen die also als nächstes? Richtig: Ein Stoppelscherset mit Internetanschluss. Darauf hat die Welt gewartet! Zu dumm aber auch, dass die morgendliche Rasur normalerweise noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Es steht zu befürchten, dass sich das ändern wird. Early Adopter halten sich schließlich nicht mit Fragen nach dem Nutzen auf.

Das Restaurant werde ich übrigens nicht mehr betreten. Zwar was das Essen ganz in Ordnung, aber definitiv zu teuer. Vor allem mag ich nicht regelmäßig in einem Laden verkehren, der so einen Gast, Umsatz hin oder her, nicht auf der Stelle an die frische Abendluft setzt.


2 Kommentare :

  1. Der Onlinerasierer ist klasse. Genau sowas hat wirklich gefehlt! Die müssen vielleicht noch ein bisschen an den Details feilen (10 Sekunden Knopf drücken?), aber dann kann's losgehen.

    Da gibt es dann eine App dazu, die Alarm schlägt, wenn der Mann unrasiert die Wohnung verlassen will. Und mir fehlt die Nachbestellfunktion für den Rasierschaum. Man müsste eine Halterung für die Rasierschaumdose bauen, die erkennt, wenn die Dose fast leer ist.

    Alternativ wäre ein Rasiervollautomat interessant. Das wäre so ähnlich wie diese Hauben beim Friseur, nur dass man das Gesicht reinhält. Ich glaube, das führe ich mal in einem eigenen Blogartikel näher aus...

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  2. Wieso Seltsamkeiten? Die digitalen Hirnis sind doch mittlerweile überall, es gibt kein Entkommen. Aber wenn Sie selbst noch keine digitale Matschbirne sind, die wirklich jeden Konsumdreck mitmacht, habe ich eine gute Nachricht für Sie. Die Bundesregierung betrachtet die Digitalisierung als das große Thema der nächsten Jahre. Wie immer gilt der kapitalistische Grundsatz, dass zu viel noch lange nicht genug ist. Auch Ihnen möchte die Politik dabei helfen, genauso blöd und debil zu werden wie die anderen es längst sind. Und sie sollten diese Hilfe annehmen: if you can't beat them join them.

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