Mittwoch, 31. Mai 2017

Schmähkritik des Tages (8)


Heute: Christian Schachinger über das neue Album der Nationalkünstlerin Helene Fischer

"Ein wenig klingt die Musik Helene Fischers zielgruppengerecht für Leute gemacht, die in ihrer Freizeit gern das Auto waschen, Staub saugen, ihren Kindern den Mund mit Spucke und Taschentuch sauber machen und überhaupt nach dem Sex (oder heißt es Ehehygiene?) gleich einmal duschen rennen, weil ... oh, mein Gott, ich fühle mich irgendwie total schmutzig! […] Für Helenes bisher 'persönlichstes Album' wurde zur Sicherheit ein Komponisten- und Plattitüdentexter-Team aufgefahren, das gerade noch in einen Reisebus passt. Auch stilistisch ist hier in der Verschränkung alles enthalten: Party-Schlager, Firmenfeier-Dancefloor, Song-Contest-Durchhalteballade, Goldene-Hochzeits-Techno, Reihenhaus-Rock – sowie lyrisches Bullshit-Bingo mit ich und du, Herz und Schmerz, frei sein und fliegen, die Sonne anzünden, der Weg war immer unser Ziel – und so weiter und so abgedroschen." (Christian Schachinger in: Der Standard, 19.05.2017)

Anmerkung: Natürlich bewirkt eine solche Kritik exakt - gar nichts. Kein glühender Helene-Fischer-Fan wird deswegen sagen: "Meine Güte, was für ein Idiot ich doch die ganze Zeit war!", und seine Präferenzen ändern. Aber amüsant ist's schon. Allein eine Wortschöpfung wie "Reihenhaus-Rock" ist den Spaß wert. Ich schrub es schon andernorts: Die Arbeit Helene Fischers steht für die konsequente Abwesenheit jeglicher Ahnung von allem, was Popmusik jenseits bloßen technischen Könnens irgendwie interessant und relevant machen kann: Stil, Haltung, Coolness, Lässigkeit, Authentizität, Ironie, Kreativität, Provokation und Schrägheit. Der Tamtam um die Quasi-Nationalkünstlerin wäre halb so wild, würde sie nicht andauernd auf ihr zweifellos vorhandenes Können reduziert, würden nicht Leistungsprinzip, Funktionieren und Übererfüllung mit künstlerischer Relevanz verwechselt und penetrant als Nonplusultra gefeiert. Da bleibt einem beizeiten nichts anderes als sich daran zu erfreuen, wie jemand kräftig in die schwarzrotgoldene Suppe spuckt.






6 Kommentare :

  1. Was an dieser Kritik nur so übelkeitserregend riecht, ist die satte Überheblichkeit, mit der ein Spießer all diese Spießer zu charakterisieren sucht.

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  2. Siewurdengelesen1. Juni 2017 um 13:14

    Jetzt lasst doch die arme Frau in Frieden. Ich mag ihre Musik auch nicht, aber im Grunde tut sie mir schon wieder beinahe leid.

    So wie sie als Quotenkiller durch alles und jeden missbraucht wird und dadurch bis zum Erbrechen überrepräsentiert ist, dient sie als ideales Beispiel dafür, wie in diesem System alles Kommerz wird. Am Ende lebt sie im goldenen Käfig aus Bühne, Kritikern und Kollegen - also auch nur im Hamsterrad. Aber man muss sich eben verkaufen, solange es geht und tauschen würde ich nicht mit ihr. Ich glaube nicht, dass sie noch eine Stelle auf der Welt findet, wo sie unbeobachtet mal sie selbst sein kann, sondern immer grinsegrinse und nie mal den Wald anschreien, weil es einem bis unter die Schädeldecke steht.

    Über die Qualitäten ihres Singens und ihrer Musik mag ich nicht urteilen, da ich sie nur mithöre. Das ist halt Mainstream wie vieles Andere auch, der ein breites Feld an Käufern bedienen soll, da kann man sich keine Abstecher leisten.

    Irgendwann ist ihre Zeit im Sinne des Boulevards auch vorbei und dann interessieren nur noch die meist erfundenen Skandale um ihr Privatleben - also so wie jetzt, nur ohne Musik...

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    1. Frau Fischer lasse ich durchaus in Ruhe und tauschen mag ich auch nicht mit ihr - es geht eher um Rezeption.
      @franderich: Hmtja, Arroganz - der spottbillige Universal-Gratisanwurf, wenn einer keine echten Argumente hat. Und Spießer sind wir eh alle ein Stück...

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  3. Haben sie ganz schön blöd geschaut, als die Vermarktungsmaschine nicht wie gewünscht funktionierte und sie beim Pokalfinale gellend ausgepfiffen wurde, wenn auch nicht wegen ihrer Person selber. Typen wie Naidoo oder Foster gehen mir aber, offen gesagt, deutlich mehr auf den Keks.

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  4. Also Ehrgeiz hat sie. Ich hab mal spaßeshalber alle möglichen Ouvertüren vom „Phantom der Oper“ auf Youtube gehört, auch von Helene Fischer.

    Ihr fehlen ein paar Oktaven. Aber Ehrgeiz hat sie.

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  5. Ich mag es, meine Meinung so wohlgesetzt-ätzend ausformuliert zu finden, wie ich selbst es nie könnte.
    Hier fehlt mir nur noch der Hinweis darauf, dass wirtschaftlicher Erfolg heutzutage gerne mit künstlerischer Qualität gleichgesetzt wird. In dem Sinne wäre die BILD die beste Tageszeitung Deutschlands ...

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