Samstag, 31. Dezember 2016

2016 - fast geschafft


So denn, das wäre es fast mit 2016, diesem Kack-/Arschloch-/Stinkstiefel-/Driss-/Drecksjahr. Darf man so was überhaupt schreiben, ohne sich des distinktionsschwachen Mitläufertums schuldig zu machen? Oho, spitzen da coole, Aufmerksamkeit witternde Redaktionspraktikanten die Laptops: 2016 ein Mistjahr zu finden, ist voll spießig, das machen doch alle. Ich hingegen bin dagegen. Den Strom. Den Mainstream. Das Establishment. Bitte beachtet mich und findet mich originell! Anders! Oder wenigstens unkonventionell, ein Stück weit. Oder es wird altväterlich geonkelt: Nein, nicht wirklich, wahrnehmungsgestörtes Dummerchen. Lass mich erklären... Establishment aber, bzw. gegen selbiges zu sein, ist ein gutes Stichwort. Daran lässt sich nämlich die These festtackern, dass das beinahe vergangene zumindest in zweierlei Hinsicht vielleicht doch eines der eher weniger gelungenen Jahre war. Man muss ja nicht immer zwanghaft originell sein.

Samstag, 24. Dezember 2016

In diesem Sinne!


So, der 24. des Dezembers ist einmal mehr erreicht und es ist hier zur Tradition erwachsen, das musikalisch zu begehen. Und da ist die Auswahl groß, denn zahlreiche, vielleicht zu zahlreiche musikalische Stimmen sind heuer für immer verstummt. Die schönste Stimme davon war ziemlich sicher diejenige von Greg Lake. Welch ein Tenor! Sein zum Klassiker gewordener Song 'I Believe In Father Christmas' teilt hier und da möglicherweise das Schicksal von Bruce Springsteens 'Born In The U.S.A.', weil man sich von der Hülle täuschen lässt. Auch hinter der beinahe schon zu schönen Fassade dieses kleinen Meisterwerks verbirgt sich dezent konsumkritischer Inhalt.

Mittwoch, 21. Dezember 2016

Der dünne Firnis


"Heuchelmord" (Friedrich Küppersbusch)

Am liebsten wäre mir, hier guten Gewissens schreiben zu können: Zu dem, was vorgestern in Berlin geschehen ist, fällt mir nichts ein. In der Tat, es gibt ja nichts, das nicht schon zu Paris/Nizza/München etc. geschrieben wurde, ob von mir oder von anderen, das nicht 1:1 auch für Berlin gelten kann. Und wenn schon, dann gibt es angenehmeres, über das man sich so kurz vor Weihnachten zu schreiben genötigt sieht. Ist man atheistisch oder agnostisch unterwegs, kann man sagen: Hey, Weihnachten sind zwei ganz normale Tage wie alle anderen, die halt gnadenlos mit Bedeutung überfrachtet werden, who cares? Das hilft aber denen nicht, für die das Weihnachtsfest etwas bedeutet und für die das daher besonders belastend ist. Man kann das belächeln, aber dann würde man sich geistig auf eine Stufe mit jenen begeben, mit denen man bestimmt nicht auf einer Stufe stehen will, und von denen am Ende noch die Rede sein wird.

Montag, 19. Dezember 2016

Wutbürger's Paradise


In was für Zeiten wir so leben, erschließt sich manchmal schon an Kleinigkeiten. So hat Esther Kogelbloom im Tagesspiegel einen so genannten 'Rant' verfasst, in dem sie dafür plädiert, Kinder zu Weihnachten nicht mit Geschenken zuzuschütten, denn das führe auf Dauer nicht zu mehr Freude sondern bloß zu Abstumpfung. Kann man mit konform gehen oder nicht. Ein Blick auf die Kommentarspalte: Unerhört! Will die Tante uns vorschreiben, wie wir Weihnachten zu feiern haben. Wir! Feiern! Wie! Wir! WollenE!nS!1 Es gibt Tage, da ist man urlaubsreif, da ist man auf, da kann man nicht immer alles ignorieren, da möchte man solche Wutbürgerdämlacke am Schlafittchen packen und ihnen sagen: Nein, das will sie nicht, du Vollhonk! Das kann sie auch gar nicht. Das weiß sie im Gegensatz zu dir wahrscheinlich auch. Sie macht lediglich einen Vorschlag, mit dem du einverstanden sein kannst oder nicht. Kein Grund, hier sofort den Breiten zu machen.

Samstag, 17. Dezember 2016

Ronny des Monats - Dezember 2016


Zu früh gefreut! Oder vergebens gebangt, je nach dem. Allen, die gehofft oder befürchtet haben, diesen Monat werde der allmonatliche Ronny nicht verliehen, sei gesagt: Auch Weihnachtszeit ist Ronny-Zeit. Ich bin halt nur eine Woche ins Hintertreffen geraten wegen viel um die Ohren. Groß zum Recherchieren gekommen bin ich auch nicht. Brauchts aber gar nicht. Drei der fünf Preisträger waren nach zehn Minuten Suche gefunden. Wir haben eben 2016.

Ladies and Gentlemen, die Top 5 des Monats Dezember:

Mittwoch, 14. Dezember 2016

Praktisches Weihnachtslexikon, A-Z


2., durchgesehene und erweiterte Auflage

Wiederholungen wegen des großen Erfolges hat es hier eigentlich noch nie gegeben. Während der ersten Jahre der hiesigen Bloggerei war Weihnachtszeit immer Servicezeit. Weil das mittlerweile schon mehrere Jahre her ist, dachte ich mir, wieso das den alt eingesessenen Lesern nicht in Erinnerung rufen und die neu hinzugekommenen damit bekannt machen?

Damals hieß es:

Einigen wird das seltsame Treiben aufgefallen sein, das die Umwelt in diesen Breiten seit einigen Wochen deutlich sichtbar praktiziert. Auch die seltsamen Wörter, die zu jedem Jahresende kursieren, mögen viele vor das eine oder andere Rätsel stellen. Als stets um Aufklärung bemühter Zeitgenosse habe ich mich, zum Teil im Selbstversuch, daran gemacht, eine praktische, alphabetisch geordnete Liste zusammenzustellen, die die in diesem Zusammenhang wichtigsten Fragen für alle in verständlicher Form beantworten sollte.

Sonntag, 11. Dezember 2016

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (12a)


Der Spaß geht weiter

Nach meiner vortäglichen, unerfreulichen Begegnung mit der Nacherhebungsstelle eines großen Transportunternehmens, dessen Namen ich mir nicht zu nennen vorgenommen habe, und einer überschlafenen Nacht, dachte ich, ich kontaktiere den Laden mal an zuständiger Stelle. In meiner Naivität, deren Ausmaß zu umreißen allenfalls Lichtjahre ausreichen, dachte ich nämlich, ein moderner Dienstleister nähme Kritik seiner Kunden - ich wiederhole mich: seiner zahlenden Kunden - ernst und veranlasste am Ende gar Nachforschungen und gegebenenfalls Verbesserungen, so sich bestimmte Vorfälle häufen. Anders gesagt: Narr, der ich war, hatte ich gedacht, man begriffe bei einem modernen Dienstleister Kritik auch als Anregung. Ist inzwischen eigentlich sogar üblich.

Samstag, 10. Dezember 2016

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (12)


Hin und wieder passiert es mir, leider. Gestern habe ich es wieder getan und ich bin nicht stolz darauf. Ich, der ich die Langmut in Person sein kann, bin ausgeflippt und habe am Telefon einen Menschen übel angeranzt, der nix dafür kann, aber irgendetwas bei mir getriggert hat. Es war wohl einfach jenes eine, entscheidende Gran zu viel. Mein Tonfall tut mir im Nachhinein natürlich leid und war auch nicht persönlich gemeint, aber ich hasse dieses Gefühl, wenn ein Laden, der sich nach außen hin Dienstleistung und Kundenorientierung auf die Fahnen schreibt, bei erster Gelegenheit auf jegliche Dienstleistung und Kundenorientierung pfeift, sobald er in entsprechender Position ist, statt dessen das Gebaren eines Königlich Preußischen Steuereintreibers annimmt und einem signalisiert: Wir haben dich an den Eiern, Freundchen, und du kannst absolut nichts machen. Du entkommst uns nicht. Zahl einfach.

Donnerstag, 8. Dezember 2016

Nice try


Das gestrige Spiel Real Madrids gegen Borussia Dortmund war eines, für das man als Fußballaffiner zwanzig öde Grottenkicks in Kauf nimmt. Obwohl beide Teams bereits fix im Achtelfinale waren und es 'nur' um den Gruppensieg ging, gab es 93 Minuten Tempo, Taktik und einen Schuss Wahnsinn. Am Ende hieß es im Bernabeu 2:2. Reus' Ausgleichstor kurz vor Schluss nach brillanter Vorarbeit von Aubameyang war schiere Wucht, Energie, Filigrantechnik und Eleganz. Ambivalenz des modernen Profifußballs: Nach so einem Spiel und erst recht den Gemeinschaftserlebnissen, die es zu stiften vermag, ist einem egal, dass da 22 Jungmillionäre auf dem Platz standen, von denen die meisten in Autos zum Training gefahren kommen, deren Anschaffung für die allermeisten Fans so weit entfernt ist wie eine Weltreise erster Klasse auf der 'Queen Mary'.

Montag, 5. Dezember 2016

Hofburg, zweiter Versuch


Dass gestern bei der österreichischen Präsidenten(stich)wahl der von der FPÖ aufgestellte Norbert Hofer nicht gewonnen hat, ist eine gute Nachricht, das lasse ich mir um keinen Preis wegdiskutieren. Wäre es nämlich anders ausgegangen, dann hätte diese Wahl, einem verbreiteten Bonmot zum Trotze, sehr wohl so einiges verändern können. Keine Frage, nicht nur im südöstlichen Nachbarland muss Leben in die muffige Bude des einseitig neoliberal verfilzten Politbetriebs, doch gibt es andere, muss es andere Wege geben, den etablierten Parteien Feuer zu machen, als einem Rechtsaußen mit Faible für Austrofaschismus in eine Position zu hieven, in der er zwar nicht viele Befugnisse hat, aber im Gegensatz zum deutschen Bundespräsidenten doch welche, mit denen er so einiges anrichten kann.

Dienstag, 29. November 2016

Herr S. wirft mit Dreck


Über den möglichen nächsten SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz kann man sicher einiges Kritische sagen. Auf der untersten Ebene politischer Auseinandersetzung kann man ihn und seinen manchmal schwerzüngigen rheinischen Akzent schlicht unsympathisch finden oder sich meinetwegen auch ein wenig lustig machen darüber bzw. über seine provinzielle Herkunft, obwohl er dafür nichts kann. Wäre aber noch im Rahmen für mich. Ferner kann man ihn selbstverständlich für jede seiner Positionen angreifen, man kann ihn einen pupsgrauen Karrieristen nennen, einen abgehobenen Eurokraten, der die Knechtung Griechenlands und anderer angeblicher Pleitestaaten unter die Austeritätsknute mit entsprechend brachialer Rhetorik maßgeblich mitbetrieben hat. Kann man alles tun. Sollte man sogar. That's demoracy.

Samstag, 26. November 2016

Leistungsträger - im Cockpit und anderswo


Der legendäre Ewald Lienen meinte kürzlich in einem Interview, der Sektor des Profifußballs sei vor allem deshalb so üppig finanziert, die gezahlten Summen für Gehälter, Werbung und Übertragungsrechte so astronomisch, weil er - Panem et Circenses, der alte Klassiker - die Funktion habe, das Volk zu unterhalten, auf dass es nicht auf die Idee komme, an den herrschenden Verhältnissen etwas ändern zu wollen. Anders: Der Zirkus trage maßgeblich dazu bei, dass es noch ein wenig dauert mit der Revolution. Der kluge Mann weiß übrigens, wovon er redet, denn er hat 2012/13 bei AEK Athen gearbeitet. Einsichten wie die erstere jedenfalls hat er etlichen Redakteuren großer überregionaler Tageszeitungen definitiv voraus.

Freitag, 25. November 2016

Stolperstein


Termin in einer Schule in der Nähe. Es war mir vorher nicht bewusst, dass es sich um diese Schule handelt. So kam die Begegnung mit der an einer nicht zu übersehenden Stelle des Schulhofs angebrachten Gedenkstätte überraschend. Glupp. Einer dieser Momente im Alltagstrott, in denen einem unversehens klar wird, mit welch unwichtigem Kram man sich normalerweise so zu befassen pflegt.

Dienstag, 22. November 2016

Untote


Christian Krachts anstrengend ennervierender Roman 'Die Toten'

Jochen Malmsheimer, jener Großmeister des sprachlichen Floretts, merkte einmal schwer widerlegbar an, es gäbe Eigennamen, die in sich bereits ganze Sätze seien. Marion Kracht etwa. Oder Steffen Seibert. Den nicht mit Marion verwandten Christian Kracht hingegen erwähnte er nicht. Warum, will mir ein Rätsel bleiben. Was das mit dem Thema zu tun hat? Eigentlich nichts. Ich möchte halt ein Buch des Letztgenannten rezensieren und habe irgendwie nach einem Einstieg gesucht. Und weil es sein kann, dass es bei jenem Christian gewaltig kracht im Hirn. Sein 1995 erschienener Erstlingsroman 'Faserland' wirbelte damals einiges an Staub auf. Ein Jahrhundertbuch!, jubelte ditt noch janz frisch jesamtverdeutschte Föjetong. Der Retter und Erlöser der schwer an notorischer Walser-Grass-Sklerose leidenden deutschsprachigen Gegenwartsliteratur schien in dem schmalen blonden Jüngling endlich gefunden.

Sonntag, 20. November 2016

Über die Bleierne


"Ich glaube wirklich, dass Angela Merkels Technik darin besteht, Betäubungszonen auszudehnen. Also, ich habe in anderem Zusammenhang gesagt, "sie chloroformiert das Land", und zwar dadurch, dass sie bestimmte Dinge nicht mehr der Befragbarkeit übergibt. Dazu gehört, wenn Sie die Neujahrsansprache schon angesprochen haben: Es kommt NSU, NSA nicht vor. Es kommt nicht Lampedusa vor, Afghanistankrieg nicht vor, die neue Große Koalition kommt nicht vor, sondern sie hat begriffen, dass größtmögliche Reibungslosigkeit und damit auch kontinuierliche Unterforderungen unserer zerebralen Tätigkeit dazu führt, dass man sie mag, während Steinbrück mit einem einzigen Satz bereits etwas macht, was irgendwie Kontur hat.

Samstag, 19. November 2016

Die Neuerscheinungen


Und? Den Meilenstein mitbekommen? Gestern haben Metallica ihr neuestes Werk veröffentlicht. Angesichts der medialen Rezeption muss man feststellen, dass die vier älteren Herren einigen ihrer Rezipienten eine Erkenntnis offenbar voraus haben: Die, dass die Zeit sich nicht zurückdrehen lässt. Nicht falsch verstehen, ich finde es völlig okay, wenn Menschen sich halbwegs treu bleiben, alte Verbundenheit respektieren etc. Die Frage ist halt nur, ob man es nicht auch übertreiben kann. So frage ich mich mitunter, ob es Musikschreibern nicht irgendwann selbst zu blöd ist, jedes neue Album der kalifornischen Krachkünstler an den ganz alten Glanztaten zu messen. Jedes Mal aufs Neue: Sind sie noch so gut wie früher, bevor sie sich nach dem Schwarzen Album endgültig dem Kommerz an den Hals geworfen haben? Oder den Hardcore-Fans, die artig jedes neue Album kaufen in der Hoffnung, dieses mal endlich, endlich die neue 'Master Of Puppets' in Händen zu halten, die dort anknüpft, wo 'And Justice For All' einst aufgehört hat?

Dienstag, 15. November 2016

Über Wettbewerb


Seien wir doch offen: Wettbewerb wird schon ganz schön überschätzt. Damals in der Schule haben sie versucht, uns zu imprägnieren gegen die Rote Gefahr. Drüben im Kommunismus, hieß es also, blühten Korruption und Vetternwirtschaft, weswegen dort bloß inkompetente, senile Witzfiguren an die Macht gelangten. Bei uns in der Di-Da-Demokratie dagegen, auf der richtigen Seite der Eisernen Vorhangs, da sei das freilich ganz anders. Bei uns sorge der freie Wettstreit der Ideen und Argumente, der Wettbewerb um des Wählers Gunst, automatisch dafür, dass am Ende die Fähigsten und Fittesten regierten. So wie ja in der Marktwirtschaft auch die berühmte Unsichtbare Hand dafür sorge, dass das jeweils beste Produkt sich letztlich durchsetze. Schon damals in den Achtzigern fragten wir uns, ob daran nicht etwas faul sein könnte, wenn exakt dieser Wettbewerb Geistesgrößen wie Ronald Reagan und Totalausfälle wie Dan Quayle, Vizepräsident unter George Bush sen., in höchste Ämter bringt.

Sonntag, 13. November 2016

Ronny des Monats - November 2016


Kinder, wie die Zeit vergeht! Vor einem Jahr wurden zum ersten Mal die Ronnys des Monats vergeben, auf dass schöne Einzel- und Gruppenleistungen auf dem Gebiet des Rechtsradikalismus und Faschismus nicht der Vergessenheit anheim fallen. Und es sieht nicht danach aus, dass die Kandidaten mir ausgehen. Inzwischen mischt auch die CSU fast immer mit beim fröhlichen Niveau-Limbo. So etwa der dritte Bürgermeister von Altdorf bei Nürnberg, der sich angesichts der Tatsache, dass der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland zu einer Veranstaltung anlässlich des Reformationstages eingeladen wurde, zu der Vokabel "Islamschweinerei" hinreißen ließ. Das erinnert nicht nur an längst vergangen geglaubte Zeiten, in denen man politischerseits ähnliches Vokabular benutzte, sondern hätte ihn auch gleich von Null in die Charts gebracht, wenn, ja wenn nicht wieder im letzten Moment die AfD ums Eck gekommen wäre.

Freitag, 11. November 2016

Ein Dammbruch?


So, nun, ja, Trump. Rückblickend wird natürlich einiges klarer und hinterher ist man bekanntlich immer schlauer. Trotzdem kam das überraschend. Und es bedeutet eine ganze Menge, bin immer noch am sortieren. Hat daher etwas gedauert. Ich lege mich mal fest: Die kommende Präsidentschaft Donald Trumps ist entweder eine politische Wetterscheide oder bleibt pure Episode, dazwischen scheint es nur wenig zu geben. Drunter mache ich es nicht. Vieles, leider allzu vieles, spricht dafür, dass die des öfteren anzutreffende Einschätzung, der 9.11.2016 sei der 11.9. für das liberale Zeitalter, wohl zutrifft. Die per se ja gar nicht üble Idee des Liberalismus wurde leider auf Jahrzehnte an die Wand gefahren durch die unter Ronald Reagan, einem von Trumps Vorgängern im Amte, begonnene neoliberale Verarmungspolitik der letzten 35 Jahre. Bei uns von den gegelten Klassensprecher-Schnullis von der FDP. Kein Wunder, dass niemand traurig ist. Vielleicht sollten wir aber.

Montag, 7. November 2016

Doppeltmoralinsaurer Demokratierest


"Die oberen Zehntausend dieser Gesellschaft sind ein Sumpf. Sollen sie fälschen, betrügen, sich schmieren lassen, koksen, wie es ihnen beliebt. Wenn sie uns nur verschonten mit ihrer Moral." (Hermann L. Gremliza)

Es kann hilfreich sein, sich klarzumachen, dass das, was wir bürgerliche Werte nennen, ursprünglich der Abgrenzung und Selbsterhöhung des etwa ab dem 18. Jahrhundert aufstrebenden Bürgertums gegenüber dem Adel diente. Blaublütige bildeten sich traditionell etwas darauf ein, keiner Erwerbsarbeit nachzugehen, weil das das gottgegebene Los von Bauern und Plebejern war ("Im Schweiße deines Angesichts..."). Sonderlich sparsam war man in diesen Kreisen meist auch nicht. Die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes wäre ohne das entspannte Verhältnis zum Geld, das diverse Fürsten pflegten, um etliche repräsentative, kunsthistorisch bedeutende Bauten ärmer. Die Bürgerlichen setzten solcher Verschwendungssucht das Ideal des fleißigen, sparsamen, korrekten Frühaufstehers und Schaffers entgegen, der seine Finanzen im Griff hat. So kam auch das Denken in die Welt, (Erwerbs-) Arbeit sei ein Wert an sich und wer nicht arbeite, demnach nichts wert.

Samstag, 5. November 2016

The longer read: Literatur in Zeiten des Mega-Ich


Über dicke Bücher im Allgemeinen und den irrtierenden Erfolg des Norwegers Karl Ove Knausgård im Speziellen

Einen Hang zur Kürze pflege ich von jeher. Als Schüler hatte ich kein Verständnis dafür, wie man bei einer Oberstufenklausur Seite um Seite mit Geschwafel vollschmieren konnte, nur um der Quantität willen. Meine Klausuren waren in der Regel kurz und bündig und deswegen unterm Strich weder besser noch schlechter benotet als die der notorischen Vielschreiber. Seitdem ist es nicht besser geworden. Mit zunehmendem Alter reagiere ich unleidlicher, wenn ich das Gefühl habe, ein Redner, ein Regisseur oder eben ein Schreiber will mir mit endlos langem hohlem Geklapper die kostbarer werdende Zeit klauen. Wie an anderer Stelle erwähnt, sind mir Menschen höchst suspekt, die das Leistungsprinzip auf den Umfang ihrer Lektüre ausdehnen, will heißen: für die Bücher unter 500 Seiten bloß Prospekte sind. Bei mir verhält es sich umgekehrt. Ein Buch über 500 Seiten muss richtig gut sein, der Verfasser verdammt was draufhaben, damit ich nicht die Geduld verliere und es wieder beiseite lege.

Mittwoch, 2. November 2016

Sündenstolze Sippenhaft


Sicher ist der Umgang der Deutschen mit ihrer Vergangenheit so einiges, bestimmt aber nicht immer unproblematisch. Schlussstriche zu fordern ("Ja, das waren gewiss ganz schlimme Dinge, die diese Verbrecherclique, die aus dem Nichts über Deutschland gekommen war, angerichtet hat, aber irgendwann muss es auch endlich auch mal gut sein mit den alten Kamellen."), ist ungefähr so alt wie die Unterschriften der Wehrmachtsgeneräle auf den Kapitulationsurkunden. Etwas jüngeren Datums ist die seinerzeit von Hermann Lübbe geprägte Invektive vom 'Sündenstolz'. Was ungefähr bedeutet, die Deutschen seien in toto insgeheim ein bisschen stolz auf die Überverbrechen der NS-Zeit ("Den Holocaust macht uns so schnell keiner nach."), zumal das die Möglichkeit verschaffe, sich mittels besonders penetrant zelebrierter Vergangenheitsbewältigung als moralisch höher stehende Menschen zu gerieren. Logisch, dass entsprechend Interessierte Kreise das dankbar aufgriffen.

Montag, 31. Oktober 2016

R2G-Socken


Es sind diese kleinen Dinge, die einem deutlich machen, in welch verrückten Zeiten wir leben. Nehmen wir die x-te Exhumierung der Rote-Socken-Panikmache durch die CSU. Als Westkind bin ich damit groß geworden, dass Konservative immer mit apokalyptischem Unterton in der Stimme davor warnten, dass 'die Roten' an die Macht kommen. Fragte man, wieso, dann bekamen ihre Mienen einen Ausdruck namenlosen Entsetzens. "Wie kann man bloß so dumm fragen? Weil das unser aller Untergang wäre.", brachten sie hyperventilierend und mit letzter Kraft über die zitternden Lippen. "Willst du etwa leben wie drüben?". Das musste als Argument normalerweise reichen. Auch wollten sie einem immer verbieten, YPS* zu lesen und später den SPIEGEL. Alles von Moskau finanzierte kommunistische Kampfblätter, das, die der Roten Gefahr den Weg ebnen sollten, indem sie die Hirne unschuldiger Kinder und Heranwachsender wuschen.

Samstag, 29. Oktober 2016

Warum nicht mal ein Arschloch?


Könnte, so habe ich mich während dieses Jahres schon des öfteren gefragt, Freund Hein zur Abwechslung auch mal ein richtiges Arschloch zu sich holen, wenn er heuer schon so einen Bodycount hinlegt? Viele Gute hat es dieses Jahr erwischt. Jetzt Manfred Krug. Mit 79. Geht in Ordnung, kann man nicht meckern. Er selbst war's auch zufrieden, hatte sich ja schon seit längerem aus der Öffentlichkeit verabschiedet. Krug kam aus der DDR, hat sich nie verbiegen oder vereinnahmen lassen und war in vielem das, was der eitle Wolf Biermann immer so verzweifelt zu sein begehrte: Ein Künstler, ohne klischeehaft zu sein, ein Übersiedler ohne Gewese drum zu machen, ein Dissident ohne zu nerven, ein Kerl ohne ein Macho zu sein. Darüber hinaus uneitel und verdammt cool, vor allem aber: anständig. Als er einsehen musste, dass er durch seine unseligen Werbeaktivitäten für Telekom-Aktien dazu beigetragen hatte, dass viele Kleinanleger ihr Erspartes verloren, entschuldigte er sich öffentlich. Für so was brauchst du Rückgrat. Dafür liebten ihn die Menschen. Gäbe es mehr von seiner Sorte, die Welt wäre vermutlich eine bessere.

Freitag, 28. Oktober 2016

Gallisches Dorf vs. Konzernokratie


"Dumme kann man gescheit machen, aber wenn einer ein Interesse hat, dann können Sie sich tot reden, der weiß genau, was sein Interesse ist." (Kurt W. Rothschild)

Zu erwarten war es ja irgendwie. Haben sie die widerständigen Wallonen doch noch rumgekriegt, jenes kleine Gallische Dorf der EU, das ein paar Tage lang öffentlich wagte, gegen das Freihandelsabkommen CETA zu sein und so die Hoffnung nährte, jenes Gebilde namens Europa sei doch noch irgendwie demokratisch. Ich bin schon ein wenig neugierig, wie diese Einigung am Ende zustande gekommen ist. Waren die Wallonen jetzt einfach zufrieden mit den paar Extrawürsten, die sie herausverhandeln konnten, oder musste man ihnen erst mit dem Beispiel Griechenlands drohen, um ihnen Vernunft beizubringen?

Montag, 24. Oktober 2016

Die Jungsantwort - was fehlt


"Es hilft alles nichts, die zweite Lebenshälfte beginnt inzwischen, und da geht es eigentlich nur noch darum, dem Verfall irgendwie würdig zu begegnen." (Don Alphonso)

Zu den unpolitischen Belanglosigkeiten im hiesigen Medienschaffen, bei der ich zuweilen hängen bleibe oder auch nicht, gehört, hiermit sei's offen und ehrlich ventiliert, die Rubrik 'Mädchenfrage/Jungsfrage' bei 'jetzt', jenem irre coolen, hippen Talentelaufstall der ehrwürdigen 'Süddeutschen'. Junge oder auf jung machende Frauen (hier: 'Mädchen') fragen junge oder auf jung machende Männer (hier: 'Jungs') Dinge, über die sie sich bei den jeweils anderen schon immer gewundert haben bzw. vice versa, und bekommen dann eine Antwort. Das ist meiner kursorischen Kenntnis nach meist recht oberflächlich, manchmal auch amüsant. Was völlig okay für mich ist, begehrt man schließlich gar nichts anderes zu sein.

Freitag, 21. Oktober 2016

Alles nur Satire?


Nachdem Kollege Hartmut die Frage aufgeworfen hat, wie lange wohl Frauke Petrys Twitter-Account stillgestanden hätte, wenn die Blitzbirne, die einen Polizeibeamten tödlich verletzt hat, kein so genannter 'Reichsbürger' gewesen wäre, sondern Mehmet geheißen hätte, sind auch mir ein paar Fragen durch den Kopf gegangen. Ich hatte ja schon letztens vorgeschlagen, all diesen Komikern sämtliche ihnen staatlicherseits zustehenden Zahlungen (Sozialleistungen, Kindergeld, Steuerrückzahlungen etc.) in Reichsmark bzw. dem letzten inflationsbereinigten Kurs in Euro auszuzahlen. Fände ich nur fair, schließlich meinen etliche von denen ja auch, es genüge, Briefe mit 4 Cent zu frankieren, weil das dem letzten Briefporto des Deutschen Reiches entsprechen soll.

Dienstag, 18. Oktober 2016

Eitle Tränentiere


Letzte Woche ist bekanntlich Tamme Hanken, der gewichtige Gäuleeinrenker aus Ostfriesland, überraschend und in relativ jungen Jahren verstorben. Der Mann war als 'Knochenbrecher' aktiv und hatte durch diverse Fernsehsendungen im Nordfunk eine gewisse Prominenz erlangt. Habe ich schon mal gesehen, so kurz vor dem Einschlafen. Schien ein korrekter, wenn auch äußerst geschäftstüchtiger Typ gewesen zu sein. Ob das, was er mit den Zossen da veranstaltet hat, seriös war oder nicht, darüber gehen die Meinungen auseinander und ich habe keine Ahnung davon. Da ich weder Pferde noch andere Haustiere habe, ist das aber auch nicht schlimm. Selbstverständlich tut es mir leid um alle, die im nahe standen und ihn schmerzlich vermissen. Um die geht es auch nicht. Es geht darum, dass der Verblichene ein so genannter Promi war und wie das, was inzwischen 'Netzgemeinde' genannt wird, mit so was umgeht.

Samstag, 15. Oktober 2016

Ronny des Monats - Oktober 2016


Meine Güte, war es der nationale Gedenktag, der die Ronnys der Nation sich im letzten Monat so hat ins Zeug legen lassen? Eine Menge an üblichem Kram gilt es zu vermelden. So verging auch dieses Mal der Monat nicht, ohne dass sich  irgendein AfD-Komiker zum Obst gemacht und sehr schön demonstriert hätte, wie wenig Platz in dieser Partei wirklich ist für Kryptonazis und Ewiggestrige. Dieses mal war es der saarländische Spitzenkandidat Rudolf Müller, der sich als nebenberuflicher Devotionalienhändler entpuppte. Apropos Müller: Natürlich gab es auch wieder eine Menge Verbaldiarrhoetiker wie Klaus Müller, die auf Facebook, gern auch unter Klarnamen, aus ihrem Herzen keine Mördergrube machten.

Überhaupt, Dresden. Da wären die Bombenleger, die bewiesen haben, dass man in der Welthauptstadt der Bombenopfer nach wie von ein Händchen hat für so was, und schließlich die Grölemänner vom dritten Oktober. Quasseln was von Diktatur, beschimpfen die Staats- und Regierungsspitze lautstark in einer Weise, für die man sie in jeder Diktatur, die diesen Namen verdient, sofort ins Loch werfen und den Schlüssel wegschmeißen würde, kommen hier aber ungeschoren damit durch und bemerken den Fehler auf dem Bild nicht.

Menge Holz, das. Schwer, da eine Auswahl zu treffen. Ich habe es trotzdem versucht. Die Top 5 des Monats:

Donnerstag, 13. Oktober 2016

Schmähkritik des Tages (4)


Heute: Denis Scheck über Margot Käßmann

"Gibt es Jämmerlicheres, als wenn Erwachsene beim Besuch im Kindergarten oder in der Grundschule so tun, als wären sie selbst Kindergartenkinder oder Grundschüler? Dieses literarische Leben auf Kredit, diese geborgte Naivität, dieses Sich-blöd-stellen mit großen Stauneaugen ist der basso continuo von Margot Kässmanns publizistischem Oevre. 'Für dieses Buch habe ich über viele Monate Zeitungsauschnitte gesammelt und war am Ende fast erschlagen von der Vielfalt der Probleme, der Stimmen, der Ansätze', schreibt sie. Ein unnötiges Buch, von der Konzeption her Kraut und Rüben, in der Ausführung lieblos hingerotzt, ein Buch, dessen Leser sich wie zu Unrecht ans Kreuz geschlagen fühlen müssen." (Über 'Mehr als Ja und Amen')

"Zwölf Aufsätzlein der Ex-EKD-Vorsitzenden zu Themen wie Mut, Trost, Liebe und Geborgenheit versammelt dieses leider illustrierte Büchlein. "Ich denke, jeder Mensch muss für sich selbst herausfinden, wo die eigenen Kraftquellen liegen", schreibt Margot Käßmann darin. Aus dem Mund einer FDP-Vorsitzenden klänge das akzeptabel, für eine protestantische Theologin aber ist das bis zur Selbstaufgabe lasch und opportunistisch: ein Offenbarungseid." (Über 'Sehnsucht nach Leben')

Und, weil's so schön ist und alles nun einmal zwei Seiten hat:

Dienstag, 11. Oktober 2016

Huch! Bio doch nicht besser


Irgendwie war das zu ahnen. Seit Jahrzehnten wird dem deutschen Konsumenten nunmehr gepredigt, er solle sich, ungeachtet finanzieller Möglichkeiten, gefälligst bio ernähren, der bösen Agrarindustrie und der noch verwerflicheren Massentierhaltung durch sein Konsumverhalten dadurch den Stinkefinger zeigen. Nebenbei wurde dem Volke erzählt, Bio-Lebensmittel seien grundsätzlich immer gesünder, ihre Produktion stets ressourcenschonender. Nun scheint sich herauszustellen, dass bei solchen Heilsversprechen eher Zurückhaltung und Skepsis geboten sind. War aber schon länger klar. Wer es wissen wollte, wusste z.B. schon längst, dass im Bio-Landbau kein Kunstdünger erlaubt ist und daher mit Naturdünger gearbeitet werden muss. Das ist entweder Kompost oder, weil der sehr teuer ist, Gülle bzw. Stalldung. Bio-Landwirtschaft ohne Tierhaltung ist also schwierig. Außerdem sind die Erträge niedriger, sodass der Flächenverbrauch höher ist.

Samstag, 8. Oktober 2016

Über hiesige Satire


"Während [Satire] in der Rezeption und Kritik andernorts längst als eine etablierte Kunstform unter anderen gilt, muß es hierzulande stets ans Eingemachte gehen: Hinter jedem miefigen »Was darf Satire?« ist schon der Wunsch eines Verbots erkennbar, es tönt nach Begrenzung und Maßregelung, jeder Witz muß sich dem Kollektiv, der Nation, wahlweise dem Unternehmen Aufklärung oder dem, was sich dafür hält, als dienlich erweisen. Noch die kleinste Ambivalenz, die kleinste Uneindeutigkeit - Elemente, ohne die Humor schlicht nicht denkbar ist - müssen mittels Projektion oder moralischer Vereinnahmung getilgt werden." (TITANIC 10/2016)

Dienstag, 4. Oktober 2016

Singende Tofuletten


Woher rührt eigentlich dieser Irrglaube einiger Hobbymusiker, jenseits privater Anlässe ostentativ vorgetragener Dilettantismus spiele keine Rolle, sei, im Gegenteil, völlig okay oder wirke gar besonders authentisch, solange man bloß für eine edle Sache eintritt? Hach, wir können das ja eigentlich gar nicht richtig, aber unser Anliegen ist uns halt sooo wichtig, dass ihr das bestimmt aushalten werdet, lautet dann meist die Ausrede. Wir sind halt keine Profis, aber bemühen uns doch so dolle. Honoriert das doch auch mal. Nein! So was ist schlicht respektlos. Wieso soll ich gezwungen sein, mich mit Ohrenfolter molestieren zu lassen, bloß weil deren Urheber glauben, die Wahrheit mit besonders großen Löffeln eingepfiffen zu haben? Wer schon einmal vollkornbrotenes Kirchentags-Geklampfe und -Gequerflöte auszuhalten hatte, weiß: Schon ein bisschen davon kann deutlich zu viel sein.

Sonntag, 2. Oktober 2016

Gretchenfragen zum Dritten


Wie anderswo bereits ausgeführt, entspricht mein Verhältnis zum morgigen dritten Oktober, vulgo: Annexionsgedenktag, in etwa dem eines Atheisten zum Weihnachtsfest. Nett, den Tag frei zu haben, ansonsten schnurz. Selbst wenn die Festivitäten gegenüber meiner Haustür stattfänden, meine Lieblingsbands Gratiskonzerte gäben und Mitglieder der Bundesregierung eigens dafür abgestellt würden, sich in Lakaienlivreen um mein Wohl zu sorgen, mir Luft zuzufächeln, mir bis zum Verlust der Muttersprache alle halbe Stunde einen Humpen frisch gezapften Festtagsbieres oder einen Schoppen guten Rheinweines ans Sofa zu bringen hätten, wozu "Kanzlerwanstminister Altmaier" mir die passenden Leckereien kredenzen dürfte (der Mann versteht definitiv was von gutem Essen und das Treppensteigen bekäme ihm sicher hervorragend) - ich nähme dankend an, geriete aber trotzdem nicht in Feierstimmung. Nationalismus ist Sippenhaft und macht doof, und wer behauptet, die Dinge hätten sich seit 1990 für alle zum Besseren entwickelt, hat entweder den Knall nicht gehört oder noch nie was von Neoliberalismus.

Freitag, 30. September 2016

Of Mice and Women


Es ist ja nicht so, dass ich es nicht ärgerlich fände, mich teils auch fremdschämte, wenn Männer sich unangemessen aufführen, aber einen Skandal vermag ich darin meist nicht zu sehen. Ich komme da nicht ganz mit: Vergleichsweise junge Frau und allein erziehende Mutter tritt in eine Partei ein, in der in großen Teilen noch die Alten Säcke das Sagen haben, die vielleicht die Partei mit der größten Dichte an Alten Säcken ist. Was im übrigen kein Staatsgeheimnis ist. Alte Säcke unter anderem, die ohne rot zu werden beklagen, ihre Partei sei sozialdemokratisiert. Die Frau macht in dieser Partei ziemlich schnell eine ziemlich steile Karriere und wundert sich dann, dass die Alten Säcke sich exakt so benehmen wie Alte Säcke sich halt so benehmen. Was hat sie erwartet? Geht sie auf der Kirmes auch immer in die Geisterbahn und beschwert sich hinterher, das sei ja gar kein Streichelzoo? Haben Manuela Schwesig und Heiko Maas schon das #teamjennabehrends ins Leben gerufen bzw. sich einem angeschlossen?

Dienstag, 27. September 2016

Debatten abwürgen leicht gemacht


"Ist schon Kommunismus oder darf ich mich wieder hinlegen?" (Doris Akrap)

Keine Frage, über Erbschaftssteuer zu reden ist notwendig und überfällig angesichts der Besitzverhältnisse im Lande. Das lässt Don 'Im Gegensatz zu euch Mieter-Losern besitze ich Wohneigentum, historische Ölbilder, silberne Teekannen und Rennräder und habe auch sonst alles richtig gemacht im Leben - erwähnte ich übrigens schon, dass eure Armut mich ankotzt?' Alphonso deswegen gleich über Enteignung der von Vorfahren und ihm gestapelten Assets herumbarmen und quasi schon die Weltrevolution vor der Tür stehen sehen. Kann man machen, muss man sich andererseits aber die Frage gefallen lassen, wieso dann Erwerbsarbeit, die ja immer noch die Basis dafür ist, sich, so man über keines verfügt, ein vererbbares Vermögen aufzubauen, im Verhältnis zum Erben so viel stärker besteuert wird.

Sonntag, 25. September 2016

O'zapft war!


"Für Wirtschaftstheoretiker der neoliberalen Schule ist das Oktoberfest ein einziger Horror. Hans-Werner Sinn, der frühere Leiter des ifo-Instituts, dürfte hyperventilieren vor Schreck, wenn er an die Wiesn denkt. Schließlich ist dort so gut wie alles anders, als es sich die neoliberale Ideologie so vorstellt: Die ganze Unternehmung ist extrem erfolgreich, obwohl sie von der öffentlichen Hand - der Stadt München - veranstaltet wird. Es gibt keinen freien Marktzugang, denn es kann keineswegs jeder, der Lust drauf hat, Geschäfte auf der Theresienwiese machen." (Franz Kotteder)

So denn, sie haben es geschafft. Haben mich breitgeschlagen. Und ich habe mich lassen. Letztes Jahr um diese Zeit noch gespöttelt über den hiesigen Ableger des größten Massenbesäufnisses des Planeten, dieses Jahr saß ich selbst im Zelt, habe gegessen, gezecht, gefeiert. So kann's gehen. Zu meiner Entlastung kann ich immerhin anführen, dass ich das im Gegensatz zu schätzungsweise 90 Prozent der übrigen Anwesenden nicht in irgendeinem Trachtenfummel getan habe, sondern in gewöhnlicher Kleidung. Erstens, weil ich nicht über so etwas verfüge, zweitens, weil ein bisschen gegen den Strom halt sein muss. Auch Lenin war im Hofbräuhaus und durchaus angetan. Außerdem ist, siehe die oben zitierten Ausführungen Kotteders, nicht alles schlecht an der Wiesn.

Donnerstag, 22. September 2016

Zeigt her eure Befunde!


"If you need a role model you are a dick." (Charlie Brooker)

In den USA und in Österreich scheint man uns in einem Punkt definitiv voraus zu sein. Dort hat man neuerdings die Gesundheit amtierender bzw. ein Amt anstrebender Politiker als politische Größe entdeckt. Hillary Clintons Schwächeanfall und die Nachricht von ihrer Lungenentzündung nutzte ihr Rivale Donald Trump in gewohnter Weise dazu, zu beweisen, dass er nicht nur der Präsidentschaftskandidat mit dem monströsesten ökonomischen Sachverstand, den schlichtesten Lösungen und dem Längsten aller Zeiten ist, sondern auch der allergesündeste von allen. Auf die naheliegende Idee, dass eine Ochsentour wie ein Wahlkampf inklusive Vorwahlkämpfe einem Menschen von Ende sechzig schon mal an die Kraft gehen kann und so jemand sich dann halt mal was wegholt, kommt freilich keiner mehr. Nein, wer die mächtigste Militärmacht der Welt regieren will, hat gefälligst in jeder Hinsicht perfekt zu sein. Man muss weiß Gott kein Anhänger Hillary Clintons sein, um diese Entwicklung bedenklich zu finden.

Dienstag, 20. September 2016

Schmähkritik des Tages (3)


Heute: Ralf Sotscheck und Malte Kreutzfeldt über Hinkley Point C

Letzte Woche hat die britische Premierministerin Theresa May endgültig grünes Licht gegeben für den Bau des Kernkraftwerks Hinkley Point C, des ersten neuen Reaktors in Großbritannien seit 20 Jahren. Obwohl Atomenergie, im Gegensatz zu den erneuerbaren Energien, die nur linksgrüne sozialistische Spinner gut finden, bekanntlich eine saubere, beherrschbare und vor allem irre wirtschaftliche Art der Stromerzeugung ist, muss auch im Mutterland des Kapitalismus und der Privatisierungsfans seltsamerweise der Staat mit ein paar Pfund einspringen:

Samstag, 17. September 2016

Wenn ich ein Rechter wär'...


… dann wäre meine kleine Welt immer ganz einfach, denn ich wüsste immer, wer schuld ist. In der Nacht zu Samstag ist das Auto der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry (4 Kinder) ausgebrannt. Man geht von Brandstiftung aus, der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen. Darauf hinzuweisen, dass derlei Sachbeschädigung nicht nur als Mittel der politischen Auseinandersetzung komplett inakzeptabel ist, sollte sich von selbst verstehen. Auch dass bei dem Brand kein Mensch zu Schaden gekommen ist, darf man sehr wohl als gute Nachricht an der Sache verbuchen.

Donnerstag, 15. September 2016

Gastronomie 4.0


Nix zu machen, Foodbloggen, also schreiben über Restaurants, ist nicht so meins. Klar, ich esse gern gut und würde dann und wann gern ein wenig Werbung machen für Läden, in denen gute Leute ordentliches, faires,  gutes Essen bereiten und servieren. Habe ich auch 2-3 Mal versucht, reizt mich aber irgendwie nicht. Keine Ahnung, wieso. Vielleicht wegen meiner immer noch tiefsitzenden Abneigung gegen Leute, die Leben für so rasend interessant halten, dass sie ihr Essen mit dem Handy knipsen und sich hernach wichtigtuerisch umsehen. Möglicherweise auch, weil ich, total Old School, essen als Privatsache betrachte und sich irgendwas bei mir dagegen sträubt, das mit der ganzen Welt zu teilen, wie das ja gerade von den ganzen hippen Start Ups propagiert wird, die ihrerseits nicht daran denken, irgendwas zu teilen. Was soll’s, mögen das Geschreibsel übers Essen halt die erledigen, die‘s lieber machen und besser können als ich. Das Themenspektrum hier deucht mir eh schon breit genug.

Montag, 12. September 2016

Ronny des Monats - September 2016


Aaah, ich mag es, wenn man auf mich hört. Mir gehorcht. Gibt mir so ein Gefühl von Macht und Einfluss. Letzten Monat habe ich ja die AfD ermuntert, sich doch mal ein bisschen mehr ins Zeug zu legen, damit es bei der allmonatlichen Ronny-Verleihung endlich für einen Spitzenplatz reicht. Was soll ich sagen? Ich wurde erhört. Prompt hat die Chefin persönlich einen rausgehauen, der sie diesen Monat - Spoileralarm! - souverän und unangefochten auf den ersten Platz katapultiert. Glückwunsch, geht doch! Aber auch die restlichen Preisträger sind einmal mehr nicht ohne. Ladies and Gentlemen, die Ronnys dieses Monats:

Samstag, 10. September 2016

Facebook und die Moral


Es gibt diese Momente, in denen die Neunziger wieder ganz nahe zu sein scheinen. In denen einen als Europäer Anwandlungen überkommen, den Amis ihre beschissene, klebrige, verklemmte Heileweltmoral genüsslich und mit Anlauf dorthin schieben zu wollen wo es sehr dunkel ist und immer dunkler wird. Bevor es irgendwann dann wieder hell wird. Dieses oberflächlich grinsende, friedhofsöde, zum Kotzen harmonische Vorstadt-Reinheitsideal, das alles Lebendige, Widersprüchliche unter einer dicken Schicht Zuckerguss begräbt. Wie sie der Welt in einer Tour unterjubeln, dass Minderjährige vom zehntelsekundenkurzen Anblick einer unbedeckten weiblichen Brust irreparablen Schaden nähmen, es aber offenbar völlig unproblematisch finden, dieselben Minderjährigen dem Anblick von Rambos auszusetzen, die ganze feindliche Armeen wegmetzeln.

Freitag, 9. September 2016

Ich bin ein Bayernversteher


- na ja, meistens jedenfalls

Dass die Unterscheidung in links und rechts als politische Klassifizierung weitgehend untauglich geworden sei, wird vornehmlich gern von Rechten und Kryptofaschisten behauptet. Um damit die Grenzen zu verwischen. Ach komm, auch wir sind doch irgendwie ein Stück weit links, lautet der fiese Subtext, ist eh alles ein Brei. Wir sind doch nicht wirklich rechts. Das ist nicht nur schlicht falsch, weil link etwas anderes ist als links, sondern auch ein alter Hut. So war ja auch die SPD in ihren Hochburgen zu ihren Hochzeiten, etwa dem Ruhrgebiet der Siebziger, niemals sonderlich progressiv, geschweige denn links. Zumindest nie so, wie sie von rechtskonservativen Linkenfressern, die hinter jeder Straßenlaterne die Weltrevolution dräuen sahen, stilisiert wurde.

Montag, 5. September 2016

Phantasiereichsbürger


Das muss der Neid ihm lassen, diese Erfahrung hat Kollege gnaddrig mir voraus. Er ist tatsächlich zwei 'Reichsbürgern' live in echt und in Farbe begegnet. Also jenen Gestalten, die die Bundesrepublik  Deutschland für eine privatwirtschaftliche GmbH halten und sich als Bürger des Deutschen Reiches wähnen. Weil es bekanntlich nie einen völkerrechtlich bindenden Friedensvertrag gegeben hat. Könnte man schließlich auch daran erkennen, dass es hierzulande nur 'Personalausweise' gäbe, wo doch Staaten gar kein 'Personal' hätten. Denken Sie mal drüber nach. Päng, päng! Na, dämmert's? Sie können daher bei einer der inzwischen zahlreichen Parallelregierungen, gegen Gebühr versteht sich, voll echte Reichsdokumente erstehen, die einen übrigens ordentlich zu privilegieren versprechen.

Samstag, 3. September 2016

Sonntag des Zorns


So denn, morgen ist der große Tag endlich da. Ab morgen werden wir uns alle noch umgucken. Dieser Sonntag wird in die Geschichte eingehen. Da wird nämlich die AfD von Meckpomm aus endgültig ihren großen Marsch durch die Institutionen antreten. (So viel übrigens zum Thema, Wahlen veränderten nichts.) Bitte da ein wenig um Verständnis, aber mir beginnt schlicht nichts mehr einzufallen zu dem Verein. Was soll man noch sagen? Es heißt ja oft, man müsse die Sorgen und Nöte dieser Leute ernst nehmen. Ja, schön, versuche ich. Und? Was, wenn die Sorgen und Nöte dieser Leute auf einer teils wahnhaft verzerrten Wahrnehmung der Welt beruhen? Welche dann von politischen Karrieristen und Abenteurern instrumentalisiert wird? Da hilft argumentieren eben nicht mehr, daran prallt so ziemlich alles ab.

Dienstag, 30. August 2016

Rein in die Klamotten, raus aus den Klamotten


Das nennt man wohl einen echten Treppenwitz. Noch in den 1960ern wurde eine abendfüllende Komödie gedreht darüber, wie Louis de Funès als Gendarm von St. Tropez an der Côte d'Azur Jagd auf Nudisten machte, auf dass diese sich gefälligst was überzögen im katholischen Frankreich. Vor kurzem forderte die dortige Bullerei die Trägerin eines so genannten 'Burkini' (pardon: eine Leggings, eine Tunika und ein Kopftuch - danke, Wolfgang) unter Androhung von Gewalt auf, sich gefälligst etwas auszuziehen, da dies ein Verstoß gegen das an einigen französischen Stränden geltende, inzwischen aber wieder kassiert Burkini-Verbot sei. Da hieß es dann: Zieh dir gefälligst weniger über, du Luder! Einigen kann man es, scheint's, so gar nicht recht machen. Gemischt sollen die Reaktionen des übrigen Publikums bei dem peinlichen Schauspiel ausgefallen sein.

Samstag, 27. August 2016

Statt Karten


Kinder, wie die Zeit vergeht. Ist die BRAVO auch schon 60 und damit endgültig eine alte Schachtel! Jene Jugendpostille, die einem schon als geschmacklich in jeder Hinsicht unausgereifter Pubertierender peinlich war ("Lieber Dr. Sommer, ich bin 16 und immer noch Jungfrau. Was kann ich dagegen tun?" - "Ähhh, vögeln?"). Ich habe mir sogar tatsächlich einmal eine Ausgabe gekauft - im Gegensatz zu Springers Vierbuchstabenblatt übrigens, bei dem ich meinen Boykott ein Leben lang aufrecht erhalten habe. Natürlich nur wegen der Geschichte über eine längst ehemalige Lieblingsband, die scharfe Nackte auf der Aufklärungsseite interessierte mich selbstredend nicht die Bohne. (Hey, warum wird da so albern gekichert? Da gibt es nichts zu lachen!)